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Jesus ohne Katzenauge

Der Gang neben den Kirchenbänken ist schmal. Auf Krücken kommt mir ein großer Mann entgegen. Auch ich laufe an Krücken und so töne ich scherzend „Das ist ja mal eine besondere Begegnung!“ Und er steigt drauf ein: „Ja, ich habe auch solche blauen, aber hab mich heute mal für die schwarzen entschieden, fürs Konzert.“ Ich fange lachend ein kleines Konkurrenzgeplänkel an – wenn schon Elend, dann mit Humor! „Meine sind aber aus Münster!“ gebe ich an. Und er tut erstaunt und betont noch einmal „Meine nicht, aber meine sind schwarz, fürs Konzert eben.“ Das letzte Wort wollte ich dann doch haben und frage, bevor er weiterhumpelte, „Haben die denn auch Katzenaugen?“ Und er blieb nochmal stehen, lachte und sagte, dass er die an den blauen hätte. Okay, dachte ich, der Punkt geht also an mich, und kämpfte mich zu der Bank im Querschiff, wo meine Nachbarin mir drei Plätze besetzt hatte. Dort saß ich super. Mein Bein konnte ich langmachen und ich hatte den Chor, das kleine Orchester und die Solistinnen und Solisten im Blick. Die „Matthäus-Passion“ ging los. Ich ließ mich bewegen, verschmolz mit dem Inhalt, war ganz dabei. Und irgendwann stand „Jesus“ auf und sang mit tiefer schöner Stimme. Er hatte einen schwarzen Anzug an – und schwarze Krücken! Ich hatte mit Jesus gesprochen! Und sogar mit ihm um die schönste Krücke gewetteifert. Oh mein Gott!

Veröffentlicht von Eva Luna am